Rotkreuzschulen: Pflegeschule Erding

Perspektive Rollstuhlfahrer

Projekttag der Berufsfachschule für Altenpflege Erding

Erding I 24.06.2019

Beim alljährlichen Rollstuhltag nehmen die Auszubildenden für mehrere Stunden eine andere Perspektive ein: den eines/r Rollstuhlfahrer/in. Dass sich dabei nicht nur die Augenhöhe verändert, sondern auch Gehsteigkanten oder Türen zum beschwerlichen Hindernis werden, erfuhren die Auszubildenden der Berufsfachschule für Altenpflege Erding bei ihrem Ausflug nach München am eigenen Leib. Der Projekttag findet im 2. Ausbildungsjahr statt und sensibilisiert die angehenden Altenpflegerinnen und -pfleger für die Sorgen und Nöte von gehbehinderten Menschen.

Saskia Weber und Kerstin Sievers, Lehrerinnen für Pflege an der Erdinger Berufsfachschule, starteten mit 27 Teilnehmern und sechs neuwertigen Rollstühlen (freundlicherweise vom Freisinger Sanitätshaus Rattenhuber zur Verfügung gestellt) um 9 Uhr morgens in Richtung S-Bahn. Die Lehrkräfte hatten zuvor die gesamte Klasse in fünf Gruppen unterteilt und jeder eine unterschiedliche Tour durch München zugeteilt.

Eine dieser Touren führte in den Botanischen Garten, eine andere in den Gasteig und die nächste ausschließlich „zu Fuß" zu den Sehenswürdigkeiten der Innenstadt. Eine der Zielsetzungen war, dass die Schüler möglichst viele verschiedene Verkehrsmittel ausprobieren sollten. Allerdings scheiterte die eine oder andere geplante Fahrt an den zahlreichen Baustellen in München. Während der Tour sollten Rollstuhlfahrende und Rollstuhlführende unauffällig die Rollen wechseln, damit alle Teilnehmer beide Perspektiven kennenlernen konnten. Je nach Route waren mit dem Weg Aufträge verbunden, die es zu erledigen galt, wie etwa der Besuch eines Museums oder der Einkauf in einem normalen Kaufhaus.

Aufgrund des heißen Juniwetter schlugen sich alle zwar schwitzend, aber dennoch erfolgreich durch das „städtische Dickicht" und kamen rechtzeitig um 14.30 Uhr wieder am vereinbarten Treffpunkt am Viktualienmarkt an. Nach mehreren Stunden im oder hinter dem Rollstuhl hatten die Auszubildenden einige wertvolle Ideen für einen sicheren Umgang mit Rollstuhlfahrern. Dazu zählte der Vorschlag, einen Führerschein für Rollstühle zu erwerben oder bei Gesprächen auf die richtige „Höhe" des Gesprächspartners zu achten. Positiv aufgefallen war den Projekt-Teilnehmern die große Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der MVG-Fahrer und mancher Passanten. Zur Verzweiflung brachten sie allerdings des Öfteren die schlechte Ausschilderung der Fahrstühle oder die langen Wege für Rollstuhlfahrer. Einige Schüler erlebten Begegnungen mit „realen Rollstuhlfahrern" als unangenehm – hatten sie doch im Hinterkopf, dass ihre Gehbehinderung nur gespielt war und man das Glück hat, sich im richtigen Leben ungehindert bewegen zu können.

Die Auszubildenden waren sich am Ende dieses Tages einig: Gerade im Hinblick auf den praktischen Umgang mit Rollstuhlfahrern in den stationären und ambulanten Einrichtungen war diese Erfahrung für uns sehr hilfreich. Mehr Respekt und einen angstfreieren Umgang mit Menschen mit Behinderung – das wünschen sich alle, die diese Selbsterfahrung als Rollstuhlfahrer machen konnten.

 


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